Preisträger

Unterricht innovativ
2023
Cornelsen-Sonderpreis „Umwelt und Nachhaltigkeit“

„Grüne Chemie – für mich, für dich und unsere Zukunft“

Leonie Bücker mit Nina Wegner

Foto-Credit: Heraeus Bildungsstiftung

Projektbeschreibung

Im projektbasierten Wahlpflichtunterricht von Leonie Bücker und Nina Wegner erproben die Schülerinnen und Schüler den kreislauforientierten Ansatz der „Grünen Chemie“ und verbinden diesen praxisnah mit innovativen Formen und Praxen der ökonomisch-nachhaltigen Produktentwicklung. Durch kreative Experimente und Versuchsabläufe lernen sie dabei beispielsweise, wie sich nachhaltige Kosmetikprodukte herstellen, gesunde Nutzpflanzen kultivieren oder Stoffkreisläufe schließen lassen – auch, um einige der drängenden Fragen und Probleme, die mit dem Klimawandel und dem Spätkapitalismus einhergehen, gemeinsam zu adressieren. Über das Erlernen und Anwenden von Forschungsmethoden und das Bewältigen von fachspezifischen, aber auch interdisziplinären Herausforderungen verbessern sie ihre individuellen Fähigkeiten und entwickeln ihre Begeisterung für die Naturwissenschaften weiter.

Für die Umsetzung von Nachhaltigkeit in der Chemie gibt es verschiedene Ansätze. Einer davon ist die „Grüne Chemie“. Grüne Chemie als aktueller Forschungszweig widmet sich der Erschließung umweltverträglicher, abfallvermeidender, material- und energiesparender und sicherer industrieller Prozesse und Produkte. Im Rahmen des Unterrichts erhalten die Schülerinnen und Schüler (SuS) Gelegenheit zum freien Experimentieren zu Fragen der Grünen Chemie, um so einen Einblick in das Denken im Sinne einer Balance der ökologischen, ökonomischen und sozialen Dimensionen von Nachhaltigkeit zu gewinnen. Dabei werden die SuS befähigt, einen selbst gewählten chemisch-technischen Prozess nach den zwölf Prinzipien Grüner Chemie zu gestalten, zu untersuchen bzw. zu optimieren oder andere physikalische Projekte zu realisieren. Frei nach dem Motto „Wer schafft es, dass …“ wird in Kleingruppen wettbewerbsorientiert gearbeitet.

Das Grundkonzept für den Unterricht, das situativ und bedürfnis- bzw. lösungsorientiert umgestaltet und angepasst werden kann, beinhaltet die folgenden Schritte: Interessen und Vorstellungen der Schülerinnen und Schüler; wissenschaftliches Denken und Handeln – „meine und unsere Welt“; Orientierung im Problemfeld und Einordnung in den gesellschaftlichen Kontext; Teambuilding und Interessen erkunden; Lösungsstrategien – „grenzenlose Kreativität“; Realisierungsphase und Machbarkeit; Planung; Reflexion und Nachsteuerung; Durchführung und Projektarbeit; Ausarbeitung und wissenschaftliches Arbeiten; Auswertung; Reflexion und Transfer; ggf. Auszeichnung und Ausstellung; ggf. Überarbeitung und Nachsteuerung

Exemplarisch beginnt der Einstieg in den Unterricht damit, dass die SuS die einzelnen Schritte anhand der Herstellung eines weniger aufwendigen Produkts (z.B. Seife) erproben. Dabei untersuchen und reflektieren sie den Grad der Umweltbelastung, der von einem bestimmten Produkt ausgeht (z.B. durch bestimmte Duftstoffe/Weichmacher in Reinigungsmitteln oder Kosmetikartikeln) und orientieren sich somit zunächst interessengeleitet im Problemfeld. In der sich anschließenden Kreativphase werden im Team erste Lösungsansätze exploriert („als wenn es keine Grenzen gäbe“), die im Folgenden mit Blick auf ihre Funktionalität und Machbarkeit diskutiert und verdichtet werden. Dem schließen sich Machbarkeitsanalysen, die konkrete Planung und eine Überprüfung der aufgestellten Lösungsansätze an, bevor ein erstes Produkt mittels unterschiedlicher Versuchsvarianten hergestellt wird (Teams im Wettbewerb), das den in der Reflexionsphase selbst erarbeiteten Nachhaltigkeitskriterien standhalten soll (Reflexion und Teambuilding). Zusätzliche Anreize bei der Erprobung des Forschungsterrains bzw. Prozesses können zudem kriterienorientierte Challenges bieten (z.B. im Kontext von Nutzpflanzen: „Wer hat die größte Tomate?“) – dabei treten die SuS, einer realen Wettbewerbslogik folgend, in kleinen Projektteams gegeneinander an, um ressourcenintensive Konsumgüter hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit zu optimieren.

Weitere Themenschwerpunkte bzw. Untersuchungsgegenstände könnten sein:

  • Naturstoffe – Superfood, Heilmittel und Giftstoffe und ihre Bedeutung für die Ernährung/Gesundheit
  • Biochemie spezifischer Nutz- bzw. Heilpflanzen – als produktive Erkenntnisquelle, als Form nachhaltiger Kultivierung
  • Klimawandel und Klimaschutz, Erkundung/Erprobung von z.B. von Smog-Eating-Materialien, Treibstoffe der Zukunft etc.
  • Naturkosmetika – Analyse und Herstellung unter ökonomisch-ökologisch nachhaltigen Bedingungen, Produktentwicklung nach marktwirtschaftlichen Kriterien
  • Nachhaltiges Waschmittel – Herstellung und Erprobung, z.B. durch Waschnüsse
  • Gewässerreinigung und Naturschutz – Analyse von Gewässern/Böden hinsichtlich ihrer Schadstoff-, Schwermetall- oder bspw. Medikamentenbelastung, Entwicklung von Lösungsstrategien zur Umweltentlastung

Die Lernenden können somit die Einsicht gewinnen, wie sie mit den Naturwissenschaften den gesellschaftlichen technisch-nachhaltigen Fortschritt maßgeblich beeinflussen und mitbestimmen können.

Das Besondere

Für die Schülerinnen und Schüler bietet der Unterricht die Möglichkeit, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten in Bezug auf Grüne Chemie und Produktdesign zu vertiefen. Sie lernen, wie sie durch nachhaltige Praktiken und Technologien eine positive Wirkung auf die Umwelt und die Gesellschaft ausüben können. Zudem werden sie ermutigt, ihre eigene Kreativität und Innovationskraft einzubringen und in einem Team zu arbeiten, was ihnen wichtige Fähigkeiten für ihre Zukunft vermittelt.

Für die Schule wiederum ist diese Unterrichtsform eine Möglichkeit, SuS in den Lernprozess einzubeziehen und ihre praktischen Fähigkeiten zu fördern. Zudem bietet sie eine Gelegenheit, die Schule als Ort des nachhaltigen Lernens und der Entwicklung zukunftsorientierter Fähigkeiten zu positionieren.

Erfahrungen und Ergebnisse

Der projektbasierte Wahlpflichtkurs bietet zahlreiche Möglichkeiten zur Reflexion und zur Evaluierung des Fortschritts der Schülerinnen und Schüler. Eine Möglichkeit ist, regelmäßig Feedback-Sitzungen zu organisieren, in denen die SuS ihre Erfahrungen und Fortschritte teilen können. Dabei können auch die Lernmethoden und -inhalte diskutiert und angepasst werden, um sicherzustellen, dass sie den Bedürfnissen der SuS entsprechen. Ein weiteres wichtiges Instrument zur Reflexion ist die Durchführung von Projekten/Experimenten, in denen SuS ihr Wissen und ihre Fähigkeiten anwenden und ihre Ergebnisse präsentieren können. Dies ermöglicht eine Bewertung der Effektivität des Kurses und des Lernfortschritts. Letzterer kann von den SuS anhand von schriftlichen Arbeiten, Reflexionen, Skizzen und Zeichnungen, Forschungsergebnissen (Portfolioprüfung) und anderen Arbeiten nachgewiesen werden. Zudem kann die Lehrkraft die SuS im Unterricht beobachten und ihre Fortschritte im Hinblick auf ihre Planungsfähigkeiten, ihr Reflexionshandeln, ihre Experimentierfähigkeiten, ihre kreativen Lösungen und ihre Teamarbeit bewerten. Auch die Lehrkraft sollte das Projekt reflektieren, indem sie Feedback von den SuS sowie Kolleginnen bzw. Kollegen einholt und die Ergebnisse analysiert, um den Kurs kontinuierlich zu verbessern. Die Reflexion des Projekts ist ein wichtiger Schritt, um sicherzustellen, dass die SuS das bestmögliche Lernumfeld haben und ihre Begeisterung für Naturwissenschaften und Nachhaltigkeit weiterentwickeln können. Der Kurs selbst unterliegt dabei einem stetigen Wandel der maßgeblich von den SuS, aber auch von der unterrichtenden Lehrkraft abhängt.

Wird das Projekt zur Grünen Chemie mit einem anderen Fach, z.B. dem Kunstunterricht verknüpft, können SuS auf eine kreative und interdisziplinäre Weise lernen und ihr Wissen und ihre Fähigkeiten auf verschiedene Weisen anwenden. So können SuS beispielsweise daran arbeiten, eine Ausstellung zu gestalten, die die Prinzipien der nachhaltigen Chemie vermittelt und gleichzeitig ästhetisch ansprechend ist. In diesem Zusammenhang können sie Grafiken oder Fotografien erstellen, um chemische Prozesse und ihre Auswirkungen auf die Umwelt zu veranschaulichen. So wurden bereits Aquarellwerke ausgestellt, auf denen mikroskopische Aufnahmen der hergestellten Produkte dargestellt waren.

Das Unterrichtskonzept zur Grünen Chemie hat das Potenzial, einen nachhaltig wirksamen Effekt zu erzielen, indem es Schülerinnen und Schüler über die Auswirkungen chemischer Prozesse und Produkte auf die Umwelt aufklärt und sie dazu befähigt, nachhaltigere Alternativen zu erforschen und umzusetzen.

Der langanhaltende Effekt des Projekts kann sich in verschiedenen Bereichen zeigen, so können SuS

  • ein Bewusstsein für die Bedeutung einer „grünen“ und nachhaltigen Chemie entwickeln und dieses Bewusstsein auch in ihre Familien, Gemeinden, Peergroups tragen (Bewusstseinskultivierung),
  • ihre Fähigkeiten in den Bereichen Wissenschaft, Technologie, Ingenieurwesen und Mathematik – also Chemie, Biologie, Physik, Informatik, Kunst usw. verbessern, was ihnen in ihrer akademischen und beruflichen Laufbahn zugutekommen kann (Kompetenzentwicklung),
  • praktische Erfahrungen sammeln, indem sie an Forschungs- und Entwicklungsprojekten arbeiten oder sich an Wettbewerben beteiligen, was ihnen helfen kann, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten in der Praxis/im künftigen Beruf anzuwenden (Praxiserfahrung),
  • neue Ideen und Lösungen für eine grünere und nachhaltigere Chemie entwickeln und somit einen Beitrag zur Schaffung einer nachhaltigeren Zukunft leisten.

Aus den Gutachten

„Der Unterricht erscheint sehr handlungs- und praxisorientiert, ist fächerübergreifend und innovativ. Die Schülerinnen und Schüler werden mit einem aktuellen Thema konfrontiert, was für sie von großer Relevanz ist, und auf das sie aktiv Einfluss nehmen können.“

„Aktueller Gesamtgesellschaftlicher Bezug, Nachhaltigkeit, Lernmotivation aus dem jugendlichen Alltag heraus.“

Eckdaten

Schule: Albert-Einstein-Gymnasium
Bundesland: Berlin
Jahrgangsstufe: 9, ggf. auch 10
Fächer: Chemie/Kunst
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