Preisträger

Unterricht innovativ
2014
Sonderpreis Die ZEIT

Von Langnasen und Negerküssen – Stufenübergreifende Unterrichtseinheit zu Rassismen in der (deutschen) Sprache

Dr. Susanne Katharina Schleif
Projektteam: Dr. Susanne Katharina Schleif / Cornelia Werndl

Fotocredit: BILDSCHÖN

Projektbeschreibung:

Schüler/innen einer 11. Klasse der Leipzig International School e. V. beschäftigen sich mit Rassismen in der deutschen Sprache. Ausgehend von der Kinderbuch-Debatte (siehe ausführlicher Artikel in der ZEIT, 21.01.2013 von Ulrich Greiner) untersuchten sie kritisch politisch korrekte Änderungsvorschläge in Kinderbuch-Klassikern. Sie schauten auch über den Tellerrand und erkundeten, wie Europäer und Deutsche im Ausland bezeichnet werden.
„Diskriminierende Bezeichnungen von Menschen(gruppen)“ und „Lebensmittelbezeichnungen mit diskriminierendem Inhalt“ bildeten weitere thematische Schwerpunkte.

Die Elftklässler finden sich in Arbeitsgruppen zusammen, untersuchen Artikel zur Thematik und analysieren diese im Hinblick auf Textsorte, sprachlich-stilistische Merkmale, Kontext, Zielgruppe und Autoren-Intention. An die thematischen Unterrichtseinheiten schließen sich im zweiten Schritt Unterrichtsversuche in Grundschulklassen an. Die werden im Vorfeld mit den beteiligten Lehrerinnen unter den Gesichtspunkten Zeitmanagement, kindgerechte Ausdrucksweise, Arbeitsformen und Methodenwechsel besprochen. Fragebögen zur Thematik für Großeltern und Eltern werden erstellt, Befragungen durchgeführt, die Ergebnisse präsentiert und interpretiert.

Ziel des Unterrichts ist es, die eigenen Erlebnisse und Erfahrungen in einen größeren Zusammenhang zu stellen, zu hinterfragen und so objektiv wie möglich zu betrachten. Die Schüler/innen sollen lernen, eigene und fremde sprachliche Äußerungen kritischer zu rezipieren und selbst bewusster zu formulieren. Dafür ist es wichtig, offen an eine Fragestellung heranzugehen, darüber nachzudenken, Hintergründe zu recherchieren und sich eine eigene Meinung zu bilden.

Das Besondere:

Die Unterrichtsversuche in den Grundschulklassen bildeten den Höhepunkt des Projektes. Die Jugendlichen stellen sich der Aufgabe „Lehren durch Lernen“ und werden so selbst zu Multiplikatoren. Über die fremdsprachen-didaktische Methode vertiefen sie ihr im Unterricht erworbenes Wissen, bereiten einen Teil dieses Wissens in interaktiven Unterrichtsstunden mit Grundschülern verständlich auf und ermitteln durch zielgruppenspezifische Formulierungen und Beispiele, abwechslungsreiche Gestaltung, Bezugnahme auf Lieblingsbücher, Einbeziehen aller Sinne etc. gemeinsame Lösungsvorschläge. Die Sekundarschüler/innen erkennen, dass Kinderbücher oft ganz unbefangen mit rassistischen Begriffen umgehen. Während der durchgeführten Unterrichtsstunden beschäftigten sich die Grundschulklassen
u. a. mit dem Kinderbuch „Das kleine Gespenst“ und dem Begriff „Eskimo“. Die Grundschüler sollten malen, Sprechblasen füllen und in Gesprächskreisen über den eigenen Sprachgebrauch reflektieren. Abschluss einer jeden Unterrichtsstunde bildete das gemeinsame Essen von dreifarbigen Schaumküssen nach dem Motto „Innen sind wir alle gleich“.

Erfahrungen und Ergebnisse:

„Ich mache mir mehr Gedanken darüber, ob es diskriminierend oder verletzend sein könnte. Außerdem werde ich versuchen, mir meine Wortwahl bewusster zu machen und mehr darauf zu achten, politisch unkorrekte Wörter zu vermeiden oder zu reduzieren“, ist das exemplarische Fazit eines Jugendlichen am Ende des Projektes. Die meisten älteren Schüler/innen wollen in Zukunft bewusster mit Sprache umgehen.

Bereits in der Grundschule beginnt die Entwicklung und Ausbildung der Sozialkompetenz sowie die Orientierung an Werten. Dabei erwerben die Kinder elementare Kenntnisse zum sachgerechten, kritischen Umgang mit vielfältigen Medien. Man kann einen besseren Zugang zu anderen Kulturen finden, wenn man seine eigene Kultur, seine eigene Identität, die eigenen Werte und Handlungen hinterfragt und ihre Ursprünge versteht. Diese reflektieren Fertigkeiten werden beispielhaft im Rahmen des Projektes erworben.

Aus dem Gutachten:

„Bemerkenswert an dem Projekt sind die vielfältigen, gut durchdachten und qualitativ auf hohem Niveau beschriebenen Aufgaben. Die Schüler bearbeiten Texte, informieren sich in verschiedenen Medien und führen selbst Interviews durch. Eine produktive Arbeit in Form von Analysen, Vorträgen und kreativer Schreibarbeit zeigt das vielfältige Umgehen mit der Thematik.“

Eckdaten

Schule: Leipzig International School e.V., Leipzig
Bundesland: Sachsen
Jahrgangsstufe: 11 (Unterrichtseinheit zielt auf Grundschulklassen)
Fächer: Deutsch, Englisch, Theory of Knowledge (Ethik)
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